Seifenrezept erstellen – Brainstorming für eine Sommerurlaubsseife
Heute möchte ich euch einen Einblick geben, wie man als Seifensieder ein eigenes Rezept für eine selbstgemachte Seife zusammenbastelt. Wer schon mal eine Seife gesiedet hat, der weiß, dass man anfangs auf gut funktionierende Rezepte (von nett anzusehenden Seifen) anderer Sieder schielt. Mit der Zeit entwickelt man dann ein Gespür für die Bedürfnisse der eigenen Haut und kann selbst einschätzen, welche Öle und Zusatzstoffe die Grundlage für ein bestimmtes Seifenrezept sein sollten und an welchen Stellschrauben man drehen kann.

Vorneweg: ich werde euch keine Anleitung geben, wie man Seifen siedet oder wie man die NaOH-Menge berechnet. Im Seifentreff gibt es für angemeldete User eine sehr, sehr gute Anleitung, sie ist bebildert und geht Schritt für Schritt durch, was man wann und wie macht. Dort gibt es auch die Möglichkeit, mit anderen Usern zeitgleich eine Seife zu sieden und bei auftretenden Problemen sehr kurzfristig Hilfestellung zu bekommen. Wenn ihr noch nie eine Seife gesiedet habt, dann nutzt die Möglichkeiten, die der Seifentreff euch gibt!

Am Anfang stellt sich die Frage: "Was für eine Seife soll es werden? Eine Handwaschseife, die einfach schön aussieht und schön duftet, oder eine Körperseife mit vielen reichhaltigen Inhaltsstoffen? Vielleicht eine Peelingseife für barfuß-Sommer-Füße? Oder doch eine Haarseife?" Ich entscheide mich für diesen theoretischen Beitrag für eine Körper- und Haarseife, die man gut mit in den Urlaub nehmen kann, quasi ein Mädchen für alles.

Also, es soll eine Körperseife werden. Die Überfettung meiner Körperseifen liegt irgendwo zwischen 6% und 20%. Ich möchte sie aber auch zum Haare waschen verwenden, und Haarseifen mag ich gerne bei 3% bis 10% Überfettung. Darum lege ich vorläufig eine Überfettung zwischen 6 und 10 Prozent für die Seife fest.

Meine Haut am Körper ist relativ unzickig, sie verträgt fast alle Öle und festen Fette als Grundlage für die Reinigung. Der Anteil an Schaumfett sollte aber nicht so hoch sein, das trocknet meine Haut eher aus. Für den Kopf bevorzuge ich leichte Fette, das sind meist die, die auch bei Kühlschranktemperatur noch ganz flüssig sind. Das Bedeutet also, dass ich von den drei Schaumfetten Kokos, Palmkern oder Babassu höchstens 20% Fettanteil verwenden möchte, 10% wären mir aber lieber. Stattdessen möchte ich mehr Sojaöl, Sonnenblumenöl oder Traubenkernöl in meiner Seife haben. Aus Erfahrung weiß ich, dass ich Sheabutter in Haarseife vertrage, Palmfett mag ich nicht so gern, bei Mangobutter weiß ich es nicht, ebensowenig bei Kakaobutter. Ich möchte auf der sicheren Seite bleiben und rechne mit je ca. 5% Mangobutter und Kakaobutter plus 10% Sheabutter. Die flüssigen, leichten Öle sollen je 10 bis 20 % bekommen.

Eine Anfängerregel für ein gelingsicheres Seifenrezept ist: jeweils die Hälfte der Fette sollen fest bzw. flüssig sein. Die zweite Anfägerregel besagt: ein Viertel Schaumfett macht schönen Schaum und sorgt somit für gute Verteilbarkeit. Rechnen wir doch mal nach, wie sich meine Gedankenspinnereien aufsummieren:
10-20% Kokos (Babassu vertrage ich schlechter, Palmkern mag ich nicht verwenden)
10-20% Soja
10-20% Sonnenblume
10-20% Traubenkern
5% Mangobutter
5% Kakaobutter
10% Sheabutter
Ich höre die ersten Aufschreie: 30-60 % Schnellranzer! Nur 40% feste Fette! Damit die Stimmen lauter werden, entscheide ich mich für ...
10% Kokos
20% Soja
20% Sonnenblume
10% Traubenkern
5% Mangobutter
5% Kakaobutter
10% Sheabutter
Das sind also erst 80% aus der Verteilung, aber die festen Fette sind auf 30% geschrumpft und die als Schnellranzer verschrieenen Fette nehmen die Hälfte der Fettmasse ein. Was mag ich sonst noch an Fetten und Ölen? Ich gehe geistig mein Küchenregal durch: Sesam, Raps, Mandel, Olive, Pistazienkern, Haselnuss, Erdnuss, ... Ja, Haselnuss spricht mich an, und Sesam auch. Den Anteil von Haselnuss hätte ich gerne bei ca. 20%, so zum Austesten, und Sesam auch gern 20-30%. Jetzt sind es schon 130% Fettmasse, das ist ein bischen viel:
10% Kokos
20% Soja
20% Sonnenblume
10% Traubenkern
5% Mangobutter
5% Kakaobutter
10% Sheabutter
20% Haselnuss
20-30% Sesam

Das liest sich wie ein Sammelsurium, und das ist es auch. Die Stunde der Wahrheit ist gekommen, sich die Frage zu stellen: "Was erwarte ich von der Seife und erfüllen diese Öle die Erwartungen?"
Öhm, tja, wie gesagt soll die Seife für den Kopf und den Körper sein, 6-10 % Überfettet, und ich möchte sie mit in Urlaub nehmen können als Allzweckseife. Moment mal, Urlaub? Weiß ich denn, wie dort das Wasser sein wird? Leitungswasser aus einer Meerwasserentsalzungsanlage ist extremst weich, woanders kann es extrem kalkhaltig sein. Möglicherweise fehlt der Entkalker in der Seife. Sonst mag ich das überhaupt nicht, aber für genau diesen Zweck wäre das Zugeben eine clevere Entscheidung. Da ich nicht weiß, wie das Wasser sein wird, kommen 5% Zitronensäure ins Rezept.

10% Kokos für den Schaum
20% Soja als leichte Reinigung für die Haare
20% Sonnenblume als leichte Reinigung für die Haare
10% Traubenkern als leichte Reinigung für die Haare
5% Mangobutter als reichhaltige Reinigung sowohl für Körper und Haare
5% Kakaobutter als 'pflegende' Komponente
10% Sheabutter als reichhaltige Reinigung sowohl für Körper und Haare
20% Haselnuss ... da muss ich passen, Haselnuss habe ich noch nie verseift
20-30% Sesam als Grundlage, weil ich weiß, dass ich damit klarkomme
5% Zitronensäure als Entkalker

Leichte Reinigung brauche ich vielleicht doch nicht so viel, da würde ich die Sonnenblume weglassen. Eine Mitsiederin schwärmt so für Soja, und ich selbst für Traubenkern, daher fliegt die Sonnenblume. Es sind aber immer noch zu viele Sachen im Rezept, ich muss noch was streichen, mindestens 5%. Das wären Mangobutter oder Kakaobutter, oder alternativ doch was anderes. Die möchte ich aber beide drin haben, wo bleibt sonst der Spaß? Also fliegt die Shea!

Zwischenstand für das Rezept:
10% Kokos
20% Soja
10% Traubenkern
5% Mangobutter
5% Kakaobutter
20% Haselnuss
25% Sesam
5% Zitronensäure
Da nur noch 20% feste Fette drin sind, muss ich die Seife auf andere Weise hart kriegen, ich entscheide mich für Wasserreduktion. So wenig wie möglich Wasser, wie viel das sein wird, zeigt sich am Schluss.

Welche Laugenflüssigkeit soll ich wählen? Gar nicht so einfach. Zur Auswahl stehen Wasser, Pflanzenaufguß, Milchprodukte, Gemüsesäfte und allerlei anderer Kram wie Kokosmilch oder Gurkenpüree. Ich möchte eine vegane Seife machen, also fallen alle Tiermilchprodukte weg. Ich könnte Katzenminzetee verwenden, Katzenminze macht die Haare so schön geschmeidig. Oder Klettenwurzel, so lassen sie sich besser entwirren. Brennnessel ist auch gut für die Haare, ebenso wie Süßholz. Ja, das klingt hervorragend. Katzenminze, Klettenwurzel und Süßholz werde ich in Wasser kochen, abfiltern und danach einkochen. Das ist sicher clever für eine Haarseife. Ob das auch für eine Körperseife passt? Als pflegende Inhaltsstoffe könnte ich Kokosmilch verwenden, Aloe Vera wäre auch schön (aber mir zu teuer), oder vielleicht Mandelmilch.

Anstatt Mandelmilch sorgt aber auch Nußmus für mehr Cremigkeit – womit wir bei den Zusatzstoffen wären. Tonerde fände ich gut, oder farbloses Henna, oder ein bischen Haarwaschpulver von Khadi, vielleicht auch Instanthaferflocken, Blüten oder ... Matcha? Das wäre dekadent!

Falls ich im Urlaub mal einen Fleck aus einem Kleidungsstück auswaschen möchte oder den Badeanzug durchwaschen, wären schrubbelige oder färbende Zusatzstoffe nicht gut in der Seife. Damit bleiben als Laugenflüssigkeit bzw. Zusatzstoff noch folgende übrig:
Katzenminze
Klettenwurzel
Süßholz
Kokosmilch
Mandelmilch
Nußmus (aber nur fein gemahlenes)
helle Tonerde

Wie wäre es mit einer netten Optik? Ja, gern. Entweder durch eine hübsche Form oder ansprechende Farben oder beides. Für den Urlaub möchte ich ein Stück Seife passgenau für meine Seifenschale mit Deckel haben, daher werde ich sie mit dem fertigen Seifenleim vollgießen. Da wird es nix mit hübscher Form, rechteckig wird sie. Farbig soll sie doch auch nicht sein, abfärben schon gar nicht, sonst bleibt das mit dem Flecken entfernen auf der Strecke. Mir bleiben also nur die Inhaltsstoffe, die ich sowieso verwenden will. Damit kann ich sicher trotzdem eine mehrfarbige Seife herstellen, zum Beispiel in dem ich einen Teil des Seifenleims mit Tonerde einfärbe und eventuell mit einer winzigen Menge Titandioxid aufhelle.

Jetzt muss ich wieder einen Moment in mich gehen. Erwarte ich zu viel von dieser Seife? Ist das Rezept zu sehr gestückelt? Bin ich erschlagen von den vielen Möglichkeiten, die sich mir beim Sieden bieten, und habe zu viele in meinem Rezept untergebracht? Oft muss ich an dieser Stelle kleinlaut zugeben, dass ich ein zu komplexes Rezept konstruiert habe: schön in der Theorie, aber wahrscheinlich weit an der Realität vorbei. Also noch mal von vorne anfangen? Nein. Aber eine Liste aufstellen und abarbeiten ist nun wichtig für mich. Weniger ist mehr!

Wie viele Öle möchte ich verwenden und wie viele Zusatzstoffe? Sagen wir, 4 bis 5 Öle + Zitronensäure, und jeweils einen Zusatzstoff für Duft (Aromatherapie) und Laugenflüssigkeit. Außerdem möchte ich näher an die 50/50-Regel ran. Also streiche ich gnadenlos Öle weg und Verteile die Prozente neu.

Als Duft werde ich nach Lust und Laune an meinen Fläschchen mit ätherischem Öl schnuppern und eine Mischung zusammenstellen. Mir ist nach was Grünem mit Basilikum und Rosmarin, ein bischen was holziges soll auch mit rein und vielleicht was blumiges. Da lege ich mich noch nicht fest. Dezent soll der Duft sein, nicht weltbewegendes. Also vielleicht ein Volumenprozent in Bezug auf die Fettmasse?

Die Laugenflüssigkeit werde ich reduzieren. Die 1,5-fache Menge des NaOH reicht, so wird die Seife sehr hart und lässt sich bald benutzen. (Warum sollte ich darauf warten, dass die Flüssigkeit aus der Seife verdunstet, wenn ich sie von vornherein weglassen kann?)

Bei der Überfettung nehme ich unspektakulär den Mittelwert zwischen 6 und 10, also 8.

Als Endmenge für den Seifenleim brauche ich das Volumen für mein Einzelstück, das sind *denk* 120 oder 150 ml. Mein kleiner Dividor fasst ca. 450 ml. Gesamt benötige ich daher 600 ml Seifenleim. Pi mal Daumen sind das 440g Fettmasse, das ist für mich machbar, da ich eine Feinwaage besitze und auf zwei Nachkommastellen genau wiegen kann.

So sieht das Rezept inzwischen aus:
30% Sesam, vertrage ich gut und mag ich gern (132 Gramm)
25% Mangobutter, reichhaltig (110 Gramm)
15% Kokos, Schaum (66 Gramm)
15% Soja, leicht (66 Gramm)
10% Traubenkern, leicht (44 Gramm)
5% Zitronensäure, Entkalker (22 Gramm)
1 zu 1,5 Laugenflüssigkeit aus eingekochtem Tee (Katzenminze, Klettenwurzel, Süßholz) + Flüssigkeit für Zitronensäure (insgesamt 120 Gramm)
NaOH für eine Überfettung von 8 Prozent
5 ml ätherische Öle
==> Gesamtseifenleimmasse: rund 625 Gramm

Wenn ich diese Seife sieden möchte, wann wäre der richtige Zeitpunkt dafür?
Ich würde sie ca. 12 Wochen reifen lassen. So kann sich der PH-Wert einpendeln und noch etwas Feuchtigkeit verdunsten. Verwenden würde ich sie im Sommerurlaub, das wäre vielleicht Ende Juni. Sieden sollte ich sie daher Anfang April – ein Viertel der Öle sind nicht sehr stabil, ich will keinen Ranz herausfordern. Bis dahin habe ich also Zeit, alle Zutaten zu besorgen.

Oder ich schaue in meinem Bestand, ob ich eine gut abgelagerte, ansprechende Seife mit Zitronensäure finde. Denn derzeit bin ich superfaul, was Seifensieden angeht. Aber so ein bischen träumen von einer neuen Seife tu ich immer wieder gern …